Werner Brix – Unter Zwang
Gewinner des Salzburger Stiers 2005. Westösterreichpremiere!
- https://zmi.spielboden.at/Plone/veranstaltungen/2006/02_februar/2006-02-22-20-30-werner-brix-2013-unter-zwang
- Werner Brix – Unter Zwang
- 2006-02-22T20:30:00+01:00
- 2006-02-22T23:59:59+01:00
- Gewinner des Salzburger Stiers 2005. Westösterreichpremiere!
Liebes Publikum! Dies ist eine Protestnote, eine Depesche, ein Hilferuf. Trotz meiner Bitte an die Veranstalter, eine Premiere meines neuen Programms auf unbestimmte Zeit zu verschieben, um meine völlig unerwarteten psychischen Probleme in Ruhe aufarbeiten zu können, zwingt man mich zur Termineinhaltung.
Ich sehe aber keinen Sinn, einmal mehr über Politik zu faseln, Lausbuben wie Bush, Strache oder Angela Merkel auch nur einen Bruchteil meiner Zeit zu schenken, weil sie es nicht verdienen. Ich habe weder die Lust noch die Fähigkeit, die Besucher meiner Vorstellungen mit gesellschaftskritischem Zeitgeistgelaber zu belustigen, wenn es mir selber schlecht geht.
Ich will über die einzige Sache reden, die mich wirklich interessiert, die mich Tag und Nacht in ihren Bann zieht, weil sie schwerer zu begreifen ist, als das Verhältnis von Socken zu Waschmaschinen - über MICH.
Ich möchte mit Euch, meinen einzigen Freunden, weinen und mich bedauern lassen. Ich will meine gescheiterte Ehe beklagen, über die heutige Begrifflichkeit von Liebe schimpfen und meine Panikattacken mit Euch teilen.
Trotz Allrad, Differenzialsperre und Seilwinde stecken manche Menschen in Löchern. In Psycholöchern. Und das ist eine verzwickte Sache, denn sie wissen, dass sie da drin stecken – meistens zumindest – und ihre linke Gehirnhälfte sagt: RAUS! Aber die rechte sagt: NEIN, NEIN! ZUERST NOCH EIN BISSERL MEDITIEREN, VERGANGENES, GEGENWÄRTIGES UND ZUKÜNFTIGES VERARBEITEN UND BACHBLÜTEN INHALIEREN. DAS BRAUCHT EINFACH ZEIT UND DIE MUSST DU DIR GEBEN.
Würde ich ja. Aber die anderen geben sie mir nicht. Da also das neoliberale Beschleunigungsdenken nun auch auf die Kabarettindustrie überzugreifen scheint, bleibt mir nichts anderes übrig, als zu spielen. Unter Zwang, unter Bewachung. Die Wahl der Waffen liegt allerdings bei mir. Kunst ist frei. Oder?