Neue Spielräume - Die Türkei am Scheideweg: Krise, Faschisierung und Widerstand

Seit Jahren befindet sich die Türkei in einer tiefen Hegemoniekrise. Die kurdische Bewegung, erstarkt und internationalisiert, und die Dynamiken des Gezi-Aufstands 2013 brachten nicht nur das AKP-Regime ins Wanken, sondern vertieften auch die Brüche und Widersprüche innerhalb der Herrschenden. Seither befindet sich die Türkei in einer permanenten Eskalationsspirale von Gewalt, Unterdrückung und Widerstand.

Das Regime antwortete auf die zunehmenden Krisendynamiken mit immer mehr Repression und versuchte stetig Staat und Gesellschaft umzubauen. In den letzten Monaten, besonders im Jahr 2021, nahmen mehrere Krisendynamiken wieder an Intensität zu. Gleichzeitig verstärkte sich der Widerstand in der Gesellschaft, die durch Wirtschaftskrise und Pandemie immer stärker in Bedrängnis ist. So kam es innerhalb kurzer Zeit zu großen Studierendenprotesten, Arbeitskämpfen und Protesten der Frauen*bewegung. Das Regime antwortet darauf wiederum mit Gewalt und einem Totalangriff auf gesellschaftliche Bewegungen. So wurde ein Verbotsverfahren gegen die pro-kurdische HDP eingeleitet und die Istanbul-Konvention zum Schutz von Mädchen und Frauen vor Gewalt wurde in einer Nacht-und-Nebelaktion ausgehebelt.

Die Türkei befindet sich also weiter am Scheideweg und es ist unklar, in welche Richtung sich diese Eskalationsspirale weiterdrehen wird. Max Zirngast arbeitet als freier Autor und Übersetzer. Er hat vier Jahre in der Türkei gelebt und schreibt auf Deutsch, Englisch und Türkisch u.a. über die politischen Entwicklungen in der Türkei. Er war 2018 dreieinhalb Monate in der Türkei inhaftiert. Nach seiner Entlassung erschien das Buch "Die Türkei am Scheideweg" mit gesammelten Texten von Max Zirngast und anderen herausgegeben von der Solidaritätskampagne #freemaxzirngast.