Fenster
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- Fenster
- 2014-10-07T21:00:00+02:00
- 2014-10-07T23:59:59+02:00
Auf The Pink Caves, dem zweiten Album des multinationalen Quartetts FENSTER, ist kein Ton zu viel. Mit wenigen Noten wird hier alles gesagt und die Pausen zwischen den Noten scheinen noch lauter zu sprechen als die Töne selbst. Aber Fenster geben sich nicht damit zufrieden, gute Songs zu schreiben. Je mehr man sich einlässt auf dieses Album, je mehr man sich gleichsam verliert in den Pink Caves, desto klarer wird, worum es hier geht. Es geht um Atmosphäre. Songs sind bloß die Tragschicht für die gleichermaßen morbide wie sehnsuchtsvolle Stimmung, die sich durch das gesamte Album zieht. Dieser unterkühlte, unprätentiöse Gesang. Die Slow Motion Rockabilly-Gitarren zu leise rumpelnden Blechen. Die unerwartet ausgedehnten psychedelischen Passagen, die dem Formatradio leise Servus sagen. All das ergibt eine neue, atmosphärische Popmusik, die wohltuend unaufgeregt daher kommt und deshalb genau in diese Zeit gehört.
Die Musik auf The Pink Caves ist leicht und tiefgehend zugleich. Und sie ist voller Überraschungen. Vor allem aber ist sie extrem zurückgelehnt. Ein schleppender Americana-Sound, der sich fast verliert in der Weite der Hallräume. Fenster sind Meister der Zeitlupe. Sie beherrschen die hohe Kunst der Entschleunigung. In The Walls etwa eignet sich gut als Soundtrack für schwül-heiße Hochsommertage, an denen man jede überflüssige Bewegung vermeidet. Geheimnisvoll vernebelt klingt Sunday Owls, mit seinem entrückten Gesang und der langsam gedehnten Tremolo-Gitarre. Die kalte, mechanische Romantik in True Love ist perfekt inszeniert. So perfekt, wie auf diesem Album vor allem das Unperfekte und Abgründige ins Bild gesetzt wurde. Die Stücke wirken wie unschuldige Masken, hinter denen sich Enttäuschung, Eifersucht oder Gleichgültigkeit verstecken.
Die Arrangements von Fenster erscheinen bei Erstkontakt funktional. Sie sind durchweg übersichtlich und transparent. Ein paar Akkorde auf Gitarre oder Keyboard, ein paar Töne auf dem Bass und der Rohbau steht. Die Feinheiten des Innenausbaus aber sind etwas für den zweiten, dritten und vierten Hörgenuss. Denn den Feinschliff beherrschen Fenster so gut wie die Architektur. All das Geklapper, das die meist klare, effiziente Perkussion konterkariert. All der Schmutz in den Aufnahmen, die kleinen Unsauberkeiten, die, anstatt sie zu eliminieren, im Breitwandpanorama arrangiert wurden. Hier herrscht große Räumlichkeit, die in vielen Momenten die Tiefe eines Tunnels hat. Man meint, die Klänge greifen zu können. Haptisches Hören, gewissermaßen. Tadklimp, Produzent und Freund der Band, hat maßgeblich zu dem bemerkenswerten Sound von The Pink Caves beigetragen.
Dass es sich bei dieser Musik um Pop, mitunter auch um Radio-Rotationspop handelt, steht außer Frage. Und es ist ein großes Vergnügen, dieser Band dabei zuzuhören, was sie alles zu Pop erklärt. Berührungs.ngste oder Respekt dem Regelwerk des klassischen Songwriting gegenüber sucht man hier vergebens. Abrupte Tempowechsel in einem Stück? Kein Problem. Space Echo Modulationen von drei Minuten Länge? Warum nicht. Niemand arrangiert die klebrigsten Synthiesounds so pointiert wie Fenster. Und kaum jemand behandelt Kitsch und Geräusch im Dienste der Atmosphäre so demokratisch wie diese Band.
Foto: S. Urzendowsky