Die Nerven
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- Die Nerven
- 2014-02-13T21:00:00+01:00
- 2014-02-13T23:59:59+01:00
Die Nerven! Genau, das tun sie auch ein wenig. Aber nicht durch Unvermögen, sondern weils gewollt ist. Die drei jungen Männer aus dem Stuttgarter Hinterland wissen erstaunlich genau wohin der Hase läuft – sogar woher er gekommen ist.
Ein langes Intro, das auf atmosphärischen Black Metal hindeuten könnte, aber es kommt ganz anders: kaputter Noiserock, von der Attitüde her wie Berlin 1981, oder ZickZack 1980, wenig Text, der immer wiederholt wird und den Wutschaum, die Verachtung und den Zynismus dadurch unterstreicht: „Leute wie Dich interessiert es nicht, ob sie leben oder sterben“ gleich im Auftakt. „Ich wünschte, mein Körper wäre ein Schrapnell“. Das ist doch mal eine Ansage! „Andere Frauen ändern auch nix an deinem Problem“ – manch einer muss erst einmal doppelt so alt werden wie Max, um diese Erkenntnis zu erlangen, nicht wahr?
Gesprochen, skandiert werden die Wörter, kaum gesungen, aber nicht, weil der Sänger nicht könnte: er will nicht.
Soundmäßig machen Schlagzeug und Bass ganz schön Punch, die Gitarre hat aber dazu diesen fetten Wave-Einschlag, Tuxedomoon oder Killing Joke fallen mir da ein, aber auch die ganz alten Abwärts – alles rumpelt ein wenig und auch hier wieder: es ist nicht so als ob sie es nicht besser könnten. Das Bauchgefühl ist genau richtig: gefällt mir, wenn man einer Band anmerkt, dass es ihr egal ist, ob sie gemocht wird, weil sie für sich selbst spielt. Sturm und Drang und Nihilismus statt Teenage Angst und Depression.
Pressetext:
Fick dich Alter! Das hier ist also dieses schwierige zweite Album? Eineinhalb Jahre nach ihrem viel gelobten Debütalbum Fluidum geht es scheinbar sorglos da weiter, wo sie, nicht zuletzt gerade auch Live reichlich erprobt, eh` schon ein kurzen Stopp eingelegt hatten. Alles beim Alten also?
Nun, der mit Fluidum etwas unfreiwillig gesetzte Stempel der 80er Jahre wird auf Fun mit etwas Spucke leicht abgerubbelt – Fluidum war eigentlich gar nicht als direkte Reminiszenz gedacht, sondern entstand mehr zufällig als der Sound, der rauskam, als sich die drei Jungs aus Süddeutschland im Proberaum trafen, und das mit recht bescheidenen Mitteln statt einem Masterplan in der Tasche.
Also, was ist jetzt andres auf Fun? Die Drei machen immer noch ablehnender Proberaum-Rumpelsound, direkt und ehrlich, Post-Punk-Gestammel als Gesang und als zentrale Themen die Langeweile, die Sehnsucht & die Angst. Das Unbequeme macht die Band immer noch interessant, in 2014 ist man ja nun auch wirklich satt genug von glattgebügelten Produktionen.
„Alles wie gehabt, nichts hat sich verändert“ skandiert Max und scheint auch sich selbst damit zu kritisieren? Denn viel Neues bietet die Platte nicht, es wird etwas mehr mit Hallgeräuschen gearbeitet und der Gesang ist verglichen zum Debut etwas melodischer. Aber Neuerung ist auch gar nicht nötig, um die hypnotischen Twen-Depressionen bunt anzumalen. Und ein Pop-Chamäleon hat ohnehin niemand erwartet.
Vielmehr gräbt die Band sich noch tiefer ein, ein Stellungskrieg gegen Alles da draußen. Der Überhit heißt passenderweise Angst, ungewohnt melodisch, versehen mit klassischer New Wave/Post-Punk-Akkordfolge, man kann hier nicht mehr unterscheiden, ob Sänger Max sich als Außenseiter inszeniert, oder ob er einfach einer ist.
Für Fans von (jeweils frühen) Mission Of Burma, Bauhaus, Swans, Abwärts: man muss ein Faible haben für stumpfe Rhythmen, hypnotischen Krach und repetitiven, aber nicht unmelodischen Skandieren deutscher Texte. Bis hin zum Cover-Artwork konsequent weitergemacht! Ach ja: Inzwischen ist man die erste deutschsprachige Band auf Amphetamine Reptile Records, einem Label von dem die drei Bandmitglieder zum ersten Mal in ihrem ersten Platteninfo gehört haben – als Soundrefferenz, soweit zur oben genannten Huldigung der alten Helden – Hahahaha
„Wir sind mittlerweile soweit, dass wir This Charming Man Records blind vertrauen. Es wurde dort in letzter Zeit oft genug mit schlafwandlerischer Sicherheit das wirklich genial kranke Zeug aus den subkulturellen Drecknischen dieses Landes gefischt. Die Nerven, aus der Nähe von Stuttgart kommend, sind das beste Beispiel. Zerschundener, desolater, schonungslos wertender Postpunk mit jeder Menge 80er Rückbesinnung, dezenter Noise-Kruste, präzise dosierter Avantgarde-Würze, die sie auf der sicheren Seite, gegenüber von Punk-Plattitüden und Klugscheißertum positioniert, und bei aller Dekonstruktion immer einem sicheren Händchen fürs Eingängige.“
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